Die Sache mit den Delegationen

Am Wochenende fand in Kleve der TdpA in Verbindung mit dem aLPT der Piratenpartei NRW statt.
Aus Zeitgründen war der etwas anders organisiert als bisher und so standen Diskussionen im Vordergrund. Nach dem letzten TdpA konnte ich auch hier einen Beitrag zu Basisbeteiligung und Vernetzung liefern, allerdings auf dem Podium, statt in einem Vortrag. Dabei wurden dann Vorschläge gemacht, wie man aus dem von einigen kommunizierten angeblichen Demokratiedefizit der Partei heraus kommen könnte. Abgesehen davon, dass bei einem Meinungsbild der geringste Widerstand den dezentralen parteitagen entgegen stand, die Michele und ich in der Amtszeit 2011 bevorzugt und zum einem großen Teil schon vorbereitet hatten, zumindest technisch, wurden mal wieder Delegationen diskutiert und zwar zum Teil haarsträubend.

Wir haben keine Zeit, wir wollen nicht weit fahren, aber Delegationen lehnen wir ab, so war der Tenor früher und das schimmerte auch noch durch. Glücklicherweise nicht mehr ganz so platt, sondern mittlerweile erfreulich differenziert, aber dennoch scheint das Wort Delegation noch immer mit einem kleinen „bähbäh“ behaftet zu sein.
Relativ schnell wurde aber klar, dass Delegation eben nicht bedeuten muss, dass ich nicht mehr mitbestimmen kann, sondern dass Delegation eigentlich bedeutet, dass ich mitbestimmen kann, weil ich jemandem meine Stimme delegiere und zwar freiwillig.

Ich glaube, wir werden das irgendwann nutzen, auf eine Art, bei der die Entscheidung, ob ich delegiere, oder selber teil nehme bei mir liegt. Ein Delegationsmodell der Piraten kann einfach nicht dazu gedacht sein, Mitglieder von der Mitbestimmung abzuschneiden, sondern muss im Gegenteil dafür sorgen, dass mehr Mitglieder mitbestimmen können und ja, das ist meiner Meinung nach möglich und der eigentliche Sinn von Delegationen. Ich sage es aber gleich, mein Favorit bleiben dezentrale Systeme.

Und dann war da noch die Diskussion, die sich, wie könnte es anders sein, immer wieder auch um Liquid Feedback drehte. Gleichwohl wir mehrfach gesagt haben, dass wir keine Tooldiskussion führen wollen, ist Liquid Feedback dennoch der Prototyp für ein sinnvolles und Mitbestimmung stiftendes Delegationsmodell. Das Problem ist nur, dass die Diskussion sich immer wieder um die falschen Dinge dreht, bzw. die falschen Argumente liefert. So lieferte dann auch der geschätzte Kollege Stahlrabe einen Diskussionsbeitrag, auf den ich eigentlich abschließend noch reagieren wollte, es mir aber doch gespart habe. Er sagte sinngemäß, er wolle kein Tool, bei dem seine Delegation dann weiter gereicht wird an jemanden, den er nicht kennt. Und in der Tat, Kettendelegationen waren immer wieder ein Thema bei den Diskussionen, immer wieder wurden sie aus diesen oder ähnlichen Gründen abgelehnt. Immer wieder drehten sich die Diskussionen um „Superdelegierte“ und darum, dass man diese ablehne. Das verstehe ich sehr gut, aber das ist nicht dem Delegationssystem anzulasten, sondern schlicht und ergreifend den Teilnehmern und zwar denen, die Delegationen einstellen und sich rein gar nicht drum kümmern, was mit ihren Stimmen passiert. Man kann natürlich verkürzen auf „Die wollen gar nicht mehr, als einmal ihre Stimme an andere vergeben“, aber das ist dann für die im System verbliebenen zu kurz gesprungen, die sich dann in der Tat über User mit 100 Stimmen ärgern. Diesen Konflikt muss man auflösen und ich behaupte, das kann man. Dabei hängt alles von der Frage ab, wie viel Beteiligung kann man verlangen? Wie oft dürfen Delegationen verfallen? Gibt es eine Möglichkeit, dass man die Nutzung der eigenen Stimme durch den Delegierten bestätigen muss, oder läuft das dann dem Vertrauensmodell zuwider? Und wenn nicht bestätigen, wie wäre es mit einer wöchentlichen Übersicht darüber, wie meine Stimme genutzt wurde?
Ein weiterer Aspekt sind die Menschen, die ihr Stimme zwar delegieren wollen, aber nicht wollen, dass diese Stimme dann weiter delegiert werden, weil sie dem nächsten Glied in der Kette möglicherweise nicht vertrauen. Auch hier kann man einen festen Standpunkt vertreten, dass man das Vertrauen weiter reichen kann, man kann aber auch nen Schalter bauen, mit dem der user verhindert, dass seine Stimme weiter gegeben wird. Ich persönlich finde das zwar doof, weil ich der Meinung bin, dass wenn ich jemandem vertraue, dazu dann auch gehört, dass er meine Stimme wiederum vertrauensvoll weiter gibt, aber wenn es user gibt, die das so wollen, warum sollte man das nicht einbauen?

Ich glaube, da wurden zu viele Fehler von allen in der Diskussion und zu wenige Zugeständnisse seitens der lqfb-Befürworter in Bezug auf Systemveränderungen gemacht und heute bin ich eigentlich traurig darüber, dass wir das System nie richtig an die Arbeit bekommen haben.

Wenn wir also weiter kommen und das nächste Projekt nicht auch kaputt spielen wollen, müssen wir Kompromisse schließen, wir müssen versuchen, eine möglichst große Schnittmenge hinzubekommen, für welchen Weg auch immer wir uns entscheiden. Dazu ist Diskussion notwendig. Lasst uns die ohne Eile führen, denn für Eile gibt es keinen Grund.

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