„Alles Trolle!“ als Ausweg?

schon lange stören mich an der Piratenpartei 2 Dinge sehr. Zum Einen ist es die Empfehlung an den Diskussionspartner, doch die Partei zu verlassen, zum Anderen ist es die Brandmarkung anderer als Troll.
Lese ich eine solche Empfehlung von der einen Person an die andere, dann beklage ich das zumeist umgehend auf der entsprechenden Liste, denn dem eigenen Parteikollegen das zu empfehlen geht gar nicht. Der Absender beansprucht nämlich in dem Moment für sich, zu wissen, wer in die Partei gehört und wer nicht. Eine Partei und schon gar nicht die Piratenpartei, ist aber keine homogene Masse, sondern ein extrem durchmischter Haufen von einzelnen sehr individuellen Menschen. gerade in der Piratenpartei finden sich Menschen zusammen, die unterschiedlicher kaum sein konnten. Zwar ist meine Theorie, entgegen dem Spruch „Wir sind nicht rechts, wir sind nicht links, wir sind vorne“, immer noch, dass der Kern der Piraten im sozialliberalen Spektrum liegt, aber auch das ist breit gefächert und vor allem gibt es, das sollte man nicht vergessen so viele politische Themen, auch abseits einer solchen Einordnung, dass eine große Deckungsgleichheit durch alle Themenbereiche schlicht nicht zu erwarten ist.
Es ist also im hohen Maße anmaßend, zu glauben, man könne als einzelner feststellen, dass ein Anderer nicht in die Partei gehört.

Dazu muss ich feststellen, dass ich nicht mal so recht die Motivation hinter einer solchen Aussage erkennen kann. Warum empfiehlt man jemandem so etwas? Ist es nur Bequemlichkeit, um weiteren Diskussionen mit dem gegenüber aus dem Wege zu gehen? Ist es Größenwahn, zu glauben, man könne da für alle sprechen, gepaart mit dem Bedürfnis, auch alle anderen vor diesen Diskussionen zu schützen?
Ich weiß es nicht. Was ich weiß, ich mag solche Aussagen überhaupt nicht.

Kommen wir zu den Trollen und damit zum größeren Phänomen innerhalb der Piratenpartei. Man sollte meinen, die Piratenpartei sei Netzaffin und gesegnet mit Leuten, die wissen wie die Kommunikation im Netz läuft. Man sollte meinen, die Mitglieder seien souverän im Umgang mit Mailinglisten und sie wüssten, dass es zur Not besser ist, einen Filter zu konfigurieren, als sich ewig mit Leuten herum zu schlagen, zu denen man schlicht nicht kompatibel ist – weit gefehlt! Es wird pauschal mit dem Begriff Troll um sich geworfen:
http://twitter.com/veloc1ty/status/26753533128
(Anmerkung ich bin ausdrücklich der Meinung, dass Alex im vorliegenden Fall gute Arbeit geleistet hat)

Aber was ist denn überhaupt ein Troll? Ich sollte diesen Artikel an der Stelle beenden und mich darüber amüsieren, welche Erklärungsversuche dazu kommen, aber geschenkt.
Sicher, es gibt Trolle, es gibt Leute die überall herumtrollen und alle anderen Beteiligten nur nerven. Über diese Leute herrscht eine große Einigkeit, dass sie zu dieser Gruppe zählen und zwar durch alle Lager. (sucht mal nach Zitterwolf und Antville) Es gibt auch Leute, die legen sich einen 2. anonymen Account in Foren, oder auf Mailinglisten an, um explizit zu trollen, just for fun.

Das Problem ist, bei den Piraten trifft diese Definition eher nicht zu, denn der Troll ist hier kein Absenderproblem, sondern vermutlich in 99% der Fälle ein Empfängerproblem. Der Begriff Troll wird regelmäßig missbraucht, um Diskussionen aus dem Weg zu gehen. Er wird zweckentfremdet für Diskussionen der „härteren Gangart“. Man will sich schlicht nicht die Mühe machen, sich der Diskussion zu stellen und man benutzt den „Trollfaktor“ als Ausrede dafür, wichtige Informationsquellen nicht zu verfolgen.
Dabei ist z.B. das Gejammer um die Mailinglisten absolut kontraproduktiv. Man stimmt neue Mitglieder darauf ein, dass die Mailinglisten nicht zu gebrauchen sind und diese folgen den Ansagen dann auch beim erstbesten Anzeichen von „ruppiger Diskussionskultur“
http://twitter.com/schmelle2/status/26549501930
Das ist sehr schade, denn wenn die, die an einem normalen Ton interessiert sind, das Feld räumen, dann ist nicht damit zu rechnen, dass der Wert der Liste sich verbessert. Stattdessen beherrschen dann z.B. Leute das Geschehen, die ausgetreten sind und nur noch nachtreten.

Andersherum wir ein Schuh daraus. Wenn dort gute Diskussionen geführt werden und das Niveau hoch gehalten wird und weiterhin die tatsächlichen Trollereien ignoriert werden, verbessert sich das Klima automatisch und der Mehrwert der Liste steigt deutlich.

Die Frage ist also, warum geben wir uns den angeblichen Trollen geschlagen, statt das Heft selber in die Hand zu nehmen? Und warum benutzen wir den Begriff Troll so inflationär? Um sachdienliche Hinweise wird gebeten?

Ich möchte übrigens an dieser Stelle explizit noch mal die NRW-ML der Piraten bewerben! Tragt euch da ein, diskutiert mit und fangt nicht bei jeder Gelegenheit, sobald der Ton etwas rauer wird, an zu flennen, sondern mischt euch ein und bestimmt den Ton selber.

3 Gedanken zu „„Alles Trolle!“ als Ausweg?

  • 14. Oktober 2010 um 00:02
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    „Trolle“ und „Spamfilter“ werden in der Piratenpartei als Realitätsverdrängung benutzt, um unangenehmen Wahrheiten und Diskussionen aus dem Weg zu gehen. Allerdings auch, um nicht immer wieder das Gleiche schreiben zu müssen, was die Konsequenz aus dem Satz „Kommunikation ist eine Bringschuld“ wäre. Was aber die Piraten-Nerd-Fraktion von Normalen unterscheidet: die Piraten meinen, sie seien die Helden der Online-Technologie, weil sie ihren Clicki-Bunti-Spamfilter bedienen können und die Logik eines Heise-Forums verstanden haben.

    Nur leider sind offene Kommunikations-Plattformen einer Partei nicht fremderleutes Heise-Forum. Aber was solls, das bekommen die Piraten mit ihren ach so tollen Spamfiltern gar nicht erst mit. Da reicht ein einziger Nazi auf schlecht/gar nicht moderierten Mailinglisten, um die komplette Partei als faschistisches Sprachrohr zu diskreditieren.

    Foren und Mailinglisten sind (waren noch nie) Alleinstellungsmerkmal der Piratenpartei-Kommunikation, die anderen Parteien haben nur schon vor Jahren begriffen, dass diese Form der Kommunikation nicht so einfach funktioniert, wie man es sich vorstellt, wenn der Wahrnehmungshorizont 7 bis 42 Zoll in der Diagonalen beträgt.

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  • 14. Oktober 2010 um 00:10
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    Ich möchte die Liste der störenden Dinge gerne um den Punkt, anderen mangelnde Aktivität in „richtigen“ Themen vorzuwerfen, erweitern. Oftmals werden Stellungnahmen mit einem Hinweis wie „mach du mal, ich kümmere mich jetzt um $ThemaX, das lohnt sich mehr als hier zu schreiben“ beendet. Im Prinzip geht man damit einer Diskussion ähnlich aus dem Weg wie bei der Abqualifizierung eines Gesprächsteilnehmers als „Troll“. Zudem unterstellt es ja dem Gegenüber, er arbeite nicht für die Partei oder an Themen. So stellt man gleichzeitig zum „zwangsweisen Gesprächsabbruch“ (wer jetzt noch antwortet, der beweist ja, dass er „nichts für die Partei tut“) auch noch gleichzeitig sein eigenes hehres Wirken hervor. Unter Umständen also etwas, was der Gesprächsteilnehmer nicht für nötig erachtet. Gleichsam die Deutungshoheit einer Diskussion erlangt so der „positiv Aktive“, der ja einen „Troll“ auch nur als Zeitfresser abtut. Wahre Trolle haben wir wenige, unverstandene Mitglieder vermutlich viel mehr 😉

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  • 20. Juni 2013 um 12:57
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    Wie schon mehr fach gesagt, bin ich AfD-Mitglied und wüsste nicht, was mich zum Angsthasen qualifieren sollte. Die Hosen haben andere voll, und zwar gestrichen voll. Zum Glück tritt die AfD nicht zur bayrischen Landtagswahl an. Warum auch? Weil wir Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden vermögen. Ich finde es auch gut, dass Ihr Euch auf die Bundestagswahl konzentriert. Es ist zwar schade, diese Wahl zu „verpassen“, aber Neugründung und Bundestagswahl sind zwei Projekte, die völlig ausreichen. Selbst Parteien mit gewachsener Struktur haben ja allergrößte Probleme, den Wählern ein vernünftiges Angebot zu machen. Da muss man weder aus dem Stand mit einem Vollprogramm incl. Ortsumgehung von Kleinkleckersdorf aufwarten noch alle organisatorischen Fragen auf Anhieb lösen. In Bayern wurden Fehler gemacht, aber auch aus denen lernt man. Und ich habe den Eindruck, dass die Lerngeschwindigkeit sehr hoch ist. Also Kopf hoch, viel Erfolg, ich drücke die Daumen. P.S.: Und bei aller Diskussionsfreudigkeit nicht vergessen: Don’t feed the troll.

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