Transparenz in der Piratenpartei

Einer der Gründe, warum ich nach langer Suche nach der richtigen Partei, in der ich mich engagieren kann, bei der Piratenpartei gelandet bin, war die offensichtliche Ausrichtung auf einen Politikwechsel. Nicht einfach nur eine andere Politik, sondern mit nicht weniger als der Ambition versehen, das komplette System umzukrepeln, quasi auszufegen.
Meiner Meinung nach ist eines der größten Probleme die die Politik in diesen Tagen hat die mangelnde Akzeptanz im Volk. Man kann sicher viel darüber spekulieren, woher die fehlende Akzeptanz stammt, aber im Kern geht es um Vertrauen. Im umkehrschluss bedeutet das für mich, ohne Vertrauen keine Chance auf ein besseres Klima oder auch, wenn es gelänge das Vertrauen der Bürger zu erlangen könnte vieles besser werden. So etwas wünsche ich mir! Ich wünsche mir, dass wir es schaffen, Volksvertreter zu wählen, die auch als solche vom Volk akzeptiert werden. Dafür müssen aber veränderungen her und zwar dringend und auch schnell, denn das Vertrauen befindet sich weiterhin im Sturzflug.
Nur, welche Veränderungen könnten das sein, die den herrschenden und den beherrschten Teil zusammenführt?
Eine allumfassende Antwort auf diese Frage hat sicher niemand, aber die Piratenpartei propagiert einen ganz entscheidenden Baustein hin zu einem besseren Verständnis und meiner Meinung nach auch deutlich besseren Akzeptanz im Volk, die Transparenz.
Transparenz ist kein Allheilmittel, ganz sicher nicht, aber sie hat das Potential, wenn man sie konsequent umsetzt, den größten Teil der Vorurteile im Volk zu eliminieren, denn der mit Abstand am häufigsten wahrgenommene Satz ist folgender:

Die da oben machen doch sowieso was sie wollen

Darin steckt schon jede menge Frust. Frust darüber, dass „die da oben“ nicht tun, was ihnen aufgetragen wurde, sondern was ihnen beliebt.
Selbstverständlich gibt es Zwänge, unangnehmen Entscheidungen zu treffen. Entscheidungen die das Volk nie gut heißen wird. Es ist schlicht unmöglich, es jedem recht zu machen, aber man kann diesen Effekt des automatisierten Frustes abmildern indem man versucht, dem Volk zu erklären, warum wann welche Entscheidung wie gefällt wurde.
Ich nehme mal ein aktuelles Beispiel: Man hat die anstehenden Sparpläne mit der Begründung eingeleitet, dass „WIR(!) jahrelnag über unsere Verhältnisse gelebt haben“.
Gehen wir mal einen Moment lang davon aus, die Regierung hätte anschließend ein sinnvolles Sparpaket geschnürt und es käme eine Last auf das Volk zu, die alle zu tragen hätten, auch das wäre auf die Art nicht vermittelbar gewesen. Es fehlt den Bürgern jeglicher Einblick in die Entscheidungsprozesse, es fehlt der Einblick darin, welcheArgumente dazu auf den Tisch gekommen sind, welche Fakten vorlagen, die zu dem urteil führten, dass jetzt gespart werden muss.
Exakt hier kommt jetzt die Idee der Transparenz ins Spiel. Wenn der Bürger die Sachzwänge kennt, oder die Möglichkeit bekommt, sich diese anzulesen, hat er viel bessere Chancen die Entscheidung zu bewerten und kommt vielleicht auch selber zu dem Schluss, dass man diesbezüglich aktiv werden muss. Er ist viel eher bereit die Situation anzunehmen, statt sich gegen die Entscheidung zu stellen. Auch hier gilt natürlich wieder, dass man es nicht jedem Recht machen kann und natürlich gibt es auch viele, die sich die Informationen nicht aneignen und trotzdem meckern werden. Aber wenn man mal einen Anfang macht und dem bürger zeigt:“Seht her, so ist es dazu gekommen“, dann glaube ich, dass viele bürger das anerkennen werden und die Akzeptanz deutlich steigt. Die dadurch gelieferte Transparenz bringt zudem beinahe autoamtisch mit sich, dass die Anzahl unlogischer Entscheidungen einfach sinken muss, denn die Arbeitsergebisse sind nachträglich überprüfbar.

OK, soweit zur Vorgeschichte, ich bin also der Piratenpartei unter anderem wegen genau diesem Anspruch beigetreten. Ich bin mir darüber im Klaren, dass Transparenz nicht die eierlegende Wollmichsau ist, sondern nur ein Baustein hin zu einem besseren Miteinander, aber ein extrem wichtiger, einer der allerhöchste Priorität bekommen muss in der Piratenpartei, weil es aktuell ein Alleinstellungsmerkmal ist und der Anfang einer neuen gestaltung der politischen Landschaft sein kann.
Für einen weiteren Baustein auf diesem Weg halte ich LiquidFeedback, eine Software, die wir intern in NRW im testbetrieb einsetzen und deren umsetzung auf Bundesebene gerade stattfindet. Dazu schreibe ich, so ich mich wieder ansbloggen gewöhne, bald mehr. LiquidFeedback hilft uns aktuell, Meinungsbilder innerhalb der Partei zu generieren und einen nicht sehr kleine Anzahl der Piraten nimmt diese Software sehr ernst.
In dieser Software gab es folgenden Antrag:

Antrag

Im Zuge der Transparenz der Vorstandsarbeit möge sich derselbige sich darum kümmern, dass die Mumble-Vorstandssitzungen aufgezeichnet werden. Er kann diese Arbeit selbstverständlich delegieren und einen Verantwortlichen benennen.

Daher wird beantragt einen § 10 in die Geschäftsordnung des NRW-Vorstands einzufügen:

§10 Aufzeichnung der Vorstandssitzungen Von allen Vorstandssitzung ist auch eine Audio Aufzeichnung anzufertigen und binnen angemessener Zeit zu veröffentlichen.

Der Vorstand kann einzelne Tagesordnungspunkte nach GO §5 für nicht öffentlich erklären. Dies muss mit Begründung im schriftlichen Protokoll vermerkt werden. In diesem Fall ist dieser Tagesordnungspunkt nicht aufzuzeichnen.
Begründung

Wir sehen uns selbst der Transparenz verpflichtet und sollten diese bei unserem eigenen Landesvorstand auch vorleben und den Mitgliedern der Piratenpartei NRW einen Download der Sitzungen als Service anbieten. Protokolle erfüllen eine Informationspflicht, können Zusammenhänge und Diskussionsverläufe jedoch nur unzureichend wiedergeben.

Da die Vorstandssitzungen in Mumble sowieso öffentlich sind sollte dies kein Problem darstellen. Der Bundesvorstand praktiziert diese Aufzeichnungen bereits, auch wenn die Veröffentlichung der Aufnahmen zur Zeit noch problematisch ist.

Das Abstimmungsergebnis lautete wie folgt: „82 Ja-Stimmen, 14 Enthaltungen und 3 Nein-Stimmen“
Ich denke, das ist eine deutliche Aussage und unsere vorsitzende hat den Antrag dann aus LF übernommen und in die Vorstandssitzung eingebracht. Das Ergebnis dazu lautet wie folgt:

Beschluss des LVor

* Antrag Vertagt bis die Rechtliche Klärung erfolgt ist.

* Richard: Mit dem Initiator Dave-Kay habe ich bereits darüber gesprochen. Ich sehe im Moment für mich keine Möglichkeit, das schnell technisch umzusetzen. Dave-Kay hat mir dann zugesagt, mir ein How-To zu erstellen, was bis jetzt leider nicht passiert ist. Ansonsten finde ich die „Macht-doch-mal“-Mentalität seltsam. Wenn jemand eine Audioaufzeichnung der Vorstandssitzung machen will, habe ich prinzipiell nichts dagegen, es wäre nur schön wenn derjenige da auch ein bisschen Engagement an den Tag legen würde.
* Ralf: Ich sehe dort Datenschutzprobleme bei Gästen, die sprechen. Ich werde die rechtlichen Aspekte mal prüfen.

Richards Aussage dazu stimmt, ich habe dazu keine Ergebnisse geliefert. Die einzigen Ergebnisse die ich selber dazu bisher habe, sind ein „geht nicht“, eine nicht beantwortete Mail von den Admins der Mumble-Instanz, und eine kurze Internet-recherche, dass man das z.B. mit Audacity machen kann. Was ich da selber nicht liefern kann, sind Scripte, die sowas automatisieren. Das blendet aber vollkommen eines ganz deutlich aus und da möchte ich den Kollegen @Netnrd zitieren:

„Transparenz ist keine Holschuld“

Das bringt es, soweit ich das beurteilen kann ziemlich auf den Punkt.

Lieber Richard, ja, ich habe dazu bisher kein How-To erstellt, weil ich selber noch nicht weiß, wie es geht, und soweit ich das sehen kann, ist eine Aufzeichnung der Sitzung für kaum jemanden von uns derzeit ein echtes Problem, man sitzt daheim am Rechner und zeichnet den Output einfach auf, aber das ist nicht der Auftrag, der sich aus dem LF-Antrag ergibt, der Auftrag ist vielmehr der: Die Mitglieder haben darüber abgestimmt, dass die Sitzungen aufgezeichnet werden sollen und diese Aufzeichungen haben nicht von „jemandem der eine Aufzeichnung machen will“ zu erfolgen, sondern daraus resultiert für mich ein Auftrag an die Technik, das umzusetzen, insofern es technisch machbar ist. Wenn wir darüber diskutieren wollen, ob das so umzusetzen ist, dann diskutieren wir darüber, ob sich das aus einer „Testinstanz“ von LF tatsächlich auch so ergeben muss, da gestehe ich durchaus Diskussionsbedarf ein, aber doch bitte nicht darüber, dass ich kein How-To erstellt habe?

Was den Einwurf von Ralf betrifft, wundere ich mich allerdings noch sehr viel mehr, wir sprechen von einer öffentlichen Sitzung, an der JEDER teilnehmen kann und die theoretisch auch jetzt schon jeder aufzeichnen und veröffentlichen kann, zudem halten wir diese Sitzungen schon relativ lange so ab und hinterfragen jetzt eine datenschutzrechtliche Relevanz? Alles, was es meiner Meinung nach dazu bedarf, ist der deutlich wahrnehmbare Hinweis, dass die Sitzung aufgezeichnet wird.

Dazu passt dann am Ende auch noch die Diskussion die ich miterleben durfte, in der geäußert wurde, LF sei nicht ausreichend anonymisiert und die Abstimmungen müssten ein Art Halbwertzeit haben, damit der Datenschutz gewahrt wird. Ich bitte die Piraten, die so denken, inständig in sich zu gehen und mal zu überlegen, was Transparenz in der Politik am Ende wirklich bedeutet und sich gut zu überlegen, ob sie diesen Weg mitgehen wollen. Ich für meinen Teil werde mich mit allem was ich habe gegen alles stellen, was die Transparenz in Frage stellt, denn ich halte sie zu diesem Zeitpunkt für einen der wichtigsten Pfeiler unserer Idee von Politik und nicht für etwas, das man sofort über Bord wirft, wenn es irgendwo ein bisschen zwickt.

Transparent sein wenn es nicht weh tut kann jeder!

Mit einem weiteren Antrag im LF-System der Piratenpartei-NRW beschäftigt sich Bastian Greshake in seinem blog

3 Gedanken zu „Transparenz in der Piratenpartei

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